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Lebacher Eier

Nichts symbolisiert sichtbarer und handfester den Leitspruch der saarländischen Imagekampagne "Großes entsteht immer im Kleinen" besser als das „Lebacher Ei“.

Das ist kein Hühnerei einer „Lebacher Henne“, sondern ein geologischer Einsprengling in runder Form, 250 Millionen Jahre alt, in den „Lebacher Schichten“ des „Rotliegenden“.


Aus diesem kleinen Ding ist wahrhaftig großes entstanden:

Die saarländische Hütten- und Stahlindustrie. Das „Lebacher Ei“ ist ein Stück Eisenerz, nicht hochprozentig, reichhaltig, aber es genügte als Erz, die ersten Schmelzöfen zu beschicken, die allüberall im Südwesten entstanden und sich zur Hüttenindustrie mauserten.

Als sich gegen Anfang des vorigen Jahrhunderts die bis dahin bekannten Eisenerzlager an der Saar erschöpften, begann im ganzen Land ein emsiges Suchen nach neuen Vorkommen. Um diese Zeit beutete man vor allem die in der Lebacher Gegend vorhandenen Lager aus. Das Werk in St. Ingbert sowie die Hütte in Dillingen haben sich lange Zeit ganz auf diese Erzbasis gestützt.

Geschichtliche Spuren sind noch sichtbar! Sie datieren vor dem Weltkulturerbe „Völklinger Hütte“, am sichtbarsten auf „Lebacher Bann“ unweit Niedersaubach und Rümmelbach in den ehemaligen Abbaufeldern mit den bezeichnenden Namen „Schütten“, „Hinter der Erzgrube“ und „Die alten Schotten“.

 

Die „rotliegenden“ Lebacher Schichten lieferten aber nicht nur Erze, sondern geben auch aufschlussreiche Auskunft über die Flora und Fauna der Erdgeschichte.
Geologische Museen in der ganzen Welt stellen hier gefundene Abdrücke historischer Nadelgehölze und niederer Pflanzen (Farne) aus.
Die Post der ehemaligen DDR hat 1973 in einer Fossilienausgabe eine 10-Pfennig-Briefmarke mit dem Bild eines Nadelholzabdrucks aus Lebach herausgebracht, dem Bild einer „Lebachia speziosa“.

 

Text: Albert Wagner
HIER können Sie einen Film-Beitrag mit dem Lebacher Albert Wagner sehen.

 

Ausstellung im Rathaus
Als Exponate sind diese Versteinerungen zur Anschauung in allen paläontologischen Museen der Welt als Lebacher Eier ausgestellt. Seit 2015 sind in der namengebenden Stadt Lebach an verschiedenen Orten im Stadtgebiet Lebacher Eier mit ihren Fossilien ausgestellt, z.B. im Rathaus der Stadt und am Reiterhof in Rümmelbach. Dort kann man die Exponate im Foyer im Erdgeschoss betrachten und ein Stück Lebacher Geschichte entdecken. Die Ausstellung ist während der Öffnungszeiten des Rathauses frei zugänglich.

Auf dem Haifischpfad, der durch Wälder, ein Tälchen und den Ort Rümmelbach führt, wird der Wanderer auch auf die weiträumigen und tief greifenden Erzschürfungen, die zwischen Gresaubach, Steinbach und Niedersaubach, ab der Mitte des 16. Jahrhunderts betrieben wurden, aufmerksam gemacht.

 

Schenkung der Sammlung von Egon Groß an die die Stadt

Der Lebacher Fossiliensammler Egon Groß hat über Jahrzehnte hinweg in mühevoller Kleinstarbeit eine Sammlung mit zahlreichen interessanten Funden zusammengetragen: versteinerte Fossilien, verkieselte Hölzer und fast 2000 Lebacher Eier. Jedes für sich ein Unikat. Im Jahr 2018 hat Egon Groß seine komplette Sammlung der Stadt Lebach geschenkt. „Sie soll in gute Hände kommen“, sagte er. „Im Rathaus ist sie der Öffentlichkeit zugänglich und wird für die nächsten Generationen erhalten.“

 

Ausführliche Hintergrundinfos zur den Lebacher Eiern

Für eine Beschreibung der Entstehung der „Lebacher Eier“ muss man weit in den Verlauf der Erdgeschichte zurückblicken. Die endgültige Eroberung der Landmassen durch Pflanzen und Tiere vollzog sich in der Karbonzeit vor 360 – 286 Millionen Jahren. Auf allen Kontinentalmassen in Äquatornähe entstanden riesige Sumpfwälder mit einer üppigen Vegetation. Nadelbäume, Blütenpflanzen oder Vögel gab es darin noch nicht. In den Sumpfwäldern und -mooren bildeten sich riesige Mengen an Torfmassen, die im weiteren Verlauf der Erdgeschichte durch Druck und Temperatur zu Steinkohlen umgebildet wurden.

In dem Erdzeitalter des Karbons lag unsere saarpfälzische Region in Höhe des Äquators und alle fünf Erdteile/Kontinente bildeten noch eine fast zusammenhängende, gewaltige Landmasse (Gondwana). Im Laufe von Jahrmillionen triftete unsere saarpfälzische Region durch Erdteilbildung und Verschiebung immer weiter nach Norden und befand sich in der Permzeit vor 286 – 250 Millionen Jahren bereits nördlich des Äquators in einem mehr warmtrockenen Klima.

In dieser Zeit entstand der so genannte „Rümmelbach-Humberg-See“, ein Gewässer von der dreifachen Größe des Bodensees. Dieser See erstreckte sich von Lebach bis nach Bad-Kreuznach mit einer Fläche von etwa 4.400 qkm. In diesem See bildeten sich auf den ehemaligen Seeboden-Ablagerungen die Toneisensteingeoden. Man bezeichnet sie auch als Sphärosiderite, Sideritgeoden, Toneisensteine, Septarien, Konkretionen oder „Lebacher Eier“ und „Lebacher Knollen“. Sie bildeten sich durch Fäulnisprozesse von organischen Substanzen auf den Seeboden-Ablagerungen.

Wenn tote Organismen wie Fische, Wirbeltiere oder Amphibien und deren Kotausscheidungen (Koproliten genannt) sowie Holzstücke oder Nadelholzzweige und Farne auf den sauerstoffarmen, tiefen Seeboden absanken, entwickelten sich daraus Fäulnisprozesse, die wiederum Eisenhumatsalze aus dem Seebodenschlamm anzogen und sich kugelförmig um den Fäulnisprozess anlagerten.

Je größer dieser organische Fäulnisprozess war, umso größer wurde diese kugelförmige Eisenhumatansammlung. Im weiteren Verlauf von Jahrtausenden wurden immer mehr Sedimente in den See eingespült, und es bildeten sich dunkleren Schieferschichten von großer Mächtigkeit. Durch den Druck dieser wachsenden Schieferschichten kamen diese kugelförmigen Fäulnisprozesse mit den Eisenhumatanlagerungen in immer tiefere Schichten und wurden diskusförmig zusammengedrückt.

Im Raum Lebach – Gresaubach - Greinhof, wo der Rümmelbach-Humberg-See am tiefsten war, haben diese Schieferschichten ihre größte Mächtigkeit entwickelt. Berechnungen haben ergeben, dass die ursprüngliche Dicke der Schlammablagerungen fast 150m betragen haben muss. Durch Verfestigung zu Tonstein ist daraus eine etwa 30m mächtige Gesteinsabfolge entstanden. Hierin findet man die Geodenlagen der „Lebacher Eier“ mit Toneisensteingeoden von ca. 2 bis 40cm Länge und 1 bis 15cm Dicke mit einem Eisengehalt von 20 bis 25 Prozent. Wegen ihres hohen Eisengehaltes wurden diese Geodenlager bis um 1860 im bergmännischen Tagebau abgegraben.

Spuren dieses ehemaligen Bergbaues sieht man heute noch auf den hügeligen und spärlich bewachsenen Geröllfeldern der so genannten Dörrenbacher-, Pfaffenbescher- und Albersbacher Schotten oder Schütten, die links und rechts der Landstraße zwischen Rümmelbach und Gresaubach liegen. Die Tagebaue der Erzgrubenfelder lagen zwischen Lebach – Tanneck – Niedersaubach – Rümmelbach – Gresaubach – Greinhof – Steinbach – Thalexweiler und Aschbach.

Die flachlinsigen bis diskusförmigen Sideritgeoden wurden schon zur Zeit des Bergbaues als so genannte „Lebacher Eier“ oder auch „Lebacher Knollen“ weltweit berühmt, denn sie enthielten Einschlüsse von gut erhaltenen Fossilien. Fossilien sind überlieferte Reste von Lebensformen oder deren Spuren. „Lebacher Eier“ mit tierischen und pflanzlichen Einschlüssen befinden sich heute in den geologischen Sammlungen aller großer Museen in der Welt.

In den „Lebacher Eiern“ wurden erstmals Abdrücke von Nadelgehölzen gefunden: „Lebachia speciosa“ und „Lebachia peninformis“. Diese wissenschaftlichen Fachbegriffe sind in der Geologie weltweit gebräuchlich. Die Post der ehemaligen DDR hat 1973 in einer Fossilienausgabe eine 10 Pfennig Briefmarke mit dem Bild eines Nadelholzabdruckes in einem „Lebacher Ei“ herausgebracht mit einer Beschriftung: „Lebachia speciosa – Sammlung des Naturkundemuseums Berlin“.

Die Fischfauna der Permzeit mit mehreren Fischarten sowie Amphibien verschiedener Gattungen, auch Lebensspuren vieler Tiergruppen mitsamt ihren Stoffwechselspuren als Koproliten (Kotausscheidungen) sind als Fossilien in den „Lebacher Eiern“ zu finden. Aus Größe und Form der Koproliten kann man recht genau ableiten welche Faunenelemente einst den See besiedelten.

Die „Lebacher Eier“ waren fast drei Jahrhunderte lang als Eisenerze von den saarländischen und benachbarten Eisenhüttenwerken bis in die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts sehr begehrt. Das daraus gewonnene Eisen zeichnete sich durch große Weichheit und Dehnbarkeit aus und ließ sich hervorragend weiterverarbeiten. Es eignete sich auch besonders zur Herstellung von Takenplatten, da es schwefelarm war und glatte Oberflächen gewährleistete. 

Text: Egon Gross

Literatur:

Ilse Winter-Emden: "Geschichte der Lebacher Erzgruben und ihre Bedeutung für die Region." Hrsg.: Karl Kuhn, Volkshochschule Lebach

Dieter Schweiss: "Der Permzeit auf der Spur. Das saarpfälzische Rotliegend-Zeitlater." Hrsg.: Karl Kuhn, Volkshochschule Lebach